OLDIES
CDs
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NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
von Franz
Schöler
Franz Schöler ist seit über 40
Jahren aufmerksamer Be-
obachter der Musikszene. In
STEREO kommentiert er neu
erschienene Aufnahmen der
Rock- und Popgeschichte.
Tyrannosaurus Rex
A BEARD OF STARS
Polydor 2 CDs___________________________(110')
REPERTOIREWERT
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ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★ ★
T. Rex
T.REX
Polydor 2 CDs___________________________(118)
REPERTOIREWERT
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ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★ ★
Nach einem holprigen Start als
John’s Children benannte M ark
Feld sein zweites Ensemble nach
einem Furcht erregenden M ons-
trum aus grauer Vorzeit, nur um
dann für dasselbe märchenhaft ver-
sponnenes Liedgut zu schreiben.
Auf dem von EMI für neue Talen-
te reanim ierten Label Regal Zono-
phone veröffentlicht, waren Tyran-
nosaurus Rex-Platten trotz reichlich
PR-Nachhilfe auch von DJ John Peel
nicht annähernd so erfolgreich wie
die der dort just reüssierenden Pro-
col Harum, The Move und Joe Co-
cker. Die Underground-Szene hatte
so hoffnungsvolle Bands wie Pink
Floyd hervorgebracht. Selbst eine
so anspruchsvolle Folk-Kapelle wie
die Incredible String Band schaff-
te es damals mit so gar nicht all-
täglichen Liedern wie denen von
„Hangm an’s Beautiful Daughter“
in die Top
5
der englischen
Hitparade!
Aber es w ar w ohl doch
zu viel Tolkien für Arme,
was der gerade
1,60
m gro-
ße Marc Bolan als ego-
zentrische Show auch auf
der Bühne zelebrierte, als
dass die LPs breiteren An-
klang gefunden
hätten.
Auch diese beiden neues-
ten Deluxe-Ausgaben sei-
nes Frühwerks dokum en-
tieren zumal mit den vielen
Dutzend Zugaben, wie hilflos er jah-
relang mit allen möglichen Ideen
experim entierte. Der kleine Erfolg
der „One Inch Rock“-Single (Platz
28
der Hitparade) hätte ihm schon
im Herbst
1968
zeigen können, wo
er weiterm achen sollte.
So setzte die „T.Rextasy“ erst
zwei Jahre später mit „Ride A White
Swan“ ein, jetzt Bonus-Track auf
dem Album „T. Rex“ wie auch sei-
ne Deutung von Eddie Cochrans
„Sum m ertim e Blues“. Im Vergleich
zu den jahrzehntealten Polydor-Vi-
nylpressungen sind die Remas-
ter-CDs mit ihrem leicht ausgezehr-
ten Grundtonbereich ein wenig vom
„morbus digitalis“ infiziert.
OLDIE DES MONATS
Lucinda W illiam s
LUCINDA WILLIAMS
Thirty Tigers/Alive 2 CDs (111’) (p) 1988
Auch als LP erhältlich
REPERTOIREWERT
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ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★
★ ★
Wie schon das Debüt „Ramblin’“
hatte sie wenig später auch „Happy
Woman Blues“ dem Smithsonian
Folkways-Label zur V erö ffen tli-
chung anvertraut. Nur w ar dieses
Label da ewig schon mehr Museum
denn Sprungbrett für eine erfolgrei-
che Laufbahn als Songwriter! Nach
acht Jahren Auszeit zeigte sich dann
nur noch das Indie-Label Rough
Trade willens, die dritte LP von Ms.
W illiam s aus Louisiana zu veröf-
fentlichen. M it diesen Songs hatte
sie sich quasi ganz neu erfunden.
Einer der wenigen US-Kritiker,
die das seinerzeit überhaupt re-
gistrierten, w ar Robert Christgau
(Note: erst A-, dann A). Sangeskol-
leginnen waren die Ohrwurm qua-
litäten etwa von „Passionate Kis-
ses“ da schon eher aufgefallen.
Es ist nicht nur freundliches Dan-
keschön oder gar „professional
courtesy“, wenn M ary Chapin Car-
penter in den Liner Notes mit dem
Satz zitiert wird: „Lucinda Williams
is my hero!“ Oder Patty Loveless
dort erklärt: „You can lives hear
being played out in her lyrics .
..“
Ein Beispiel ist in „The Night’s Too
Long“
die Geschichte von Syl-
via, die nicht länger Serviererin
in einem Kaff in Texas sein möch-
te, eigentlich eine Schwester der
„Ravishing Ruby“ in Tom T. Halls
gleichnamigem Song - hinreißen-
de Country-Klassiker beide.
Das Zeug zum großen Hit hat-
te da unter anderem auch „I Am
Too Blue“ mit dem wunderbaren
„I Don’t W ant To Talk About It“ -
Touch. Aber es dauerte sechs Jah-
re, bis sie mit einem Grammy für
den besten Country-Song des Jah-
res ausgezeichnet wurde - für „Pas-
sionate Kisses“. (Und M ary Chapin
Carpenter mit der Coverversion für
„best fem ale country vocal perfor-
mance“.)
Anders als das in mancher Hin-
sicht schon skrupulös überpro-
duzierte „Car Wheels On A Gravel
Road“,
1998
ihr großer kommerziel-
ler Durchbruch, verdankt das Al-
bum „Lucinda W illiam s“ seine Klas-
se w eithin dem Saitenvirtuosen
Gurf Morlix. Der lieferte mit traum-
wandlerischer Sicherheit ein M eis-
terstück an einfühlsam er Produk-
tion ab, alle Qualitäten der Songs
instrumental und klangfarblich mit
seinen Begleitern ausleuchtend.
Aber auch wenn er Chef der Live-
Band war, konnten die Songs bei
der Tour danach durch deutsche
und einen holländischen Club gar
nicht so subtil zur Geltung kom -
men. Dennoch geht es natürlich voll
in Ordnung, den Mitschnitt des Auf-
tritts in Eindhoven neben den schon
bekannten Bonus-Tracks der ers-
ten Remaster-Ausgabe komplett auf
der zweiten CD zu bieten. Die neue
Überspielung des Originalalbums
geriet zwei Klassen besser als die
1998
von Koch Records vorgelegte.
Johnny W in te r
TRUE TO THE BLUES -
THE JOHNNY WINTER STORY
Sony Legacy 4 CDs
(269’)
REPERTOIREWERT
★ ★ ★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★
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Als sich Johnny W inter nach dem
Entzug mit der LP und dem Verspre-
chen „Still Alive And W ell“
1973
zu-
rückm eldete, fand man dort nicht
nur den Song „Too Much Seconal“
(so viel Autobiografie darf sein)
und seine Coverversion des Titel-
songs der Rolling-Stones-LP „Let It
Bleed“, sondern mit „Silver Train“
auch eine damals brandneue Jag-
ger/Richards-Komposition, auf der
noch einmal Rick Derringer an der
Slide als Gast zu hören war. Der
ziemlich einm alige Coup - schät-
zungsweise von M arshall Chess
eingefädelt, der selber wie Produ-
zent Jimmy Miller, M ick Taylor und
Keith Richards an der Nadel hing
- w ar für den Neustart von W in-
ters Karriere nicht von Nachteil. Der
Live-Mitschnitt „Johnny W inter And
Live“ zwei Jahre zuvor hatte schon
ein für Columbia sehr profitables
Einspielergebnis gebracht. Aber mit
dem neuen Stones-Song erzielte
die LP den bislang höchsten Hitpa-
raden-Platz für Johnny Winter.
W ieso in d ie-
ser W erkschau
anlässlich seines
70
. Geburtstags
sow ohl „Let It
B leed“ als auch
„ S ilv e r
T rain “
fe h le n ,
b le ib t
ein G eheim nis.
Wenn auch noch
der A uftritt des
G itarristen
bei
Dylans „
30
th An-
niversary Concert Celebration“ ent-
fallen wäre, hätte das den Sam m -
lerwert des Sets w eiter gemindert.
Die Auswahl konzentriert sich auf
die frühen (sprich:
70
er) Jahre, da-
runter ein Live-Mitschnitt mit M ud-
dy Waters und James Cotton sowie
(als einzige unveröffentlicht) zwei
beim Atlanta Pop Festival
1970
auf-
gezeichnete M itschnitte. Bis auf
zwei Coverversionen als Finale der
vierten CD - Chuck Berrys „M ay-
bellene“ mit Vince Gill als Gast und
„Dust My Broom“ mit Derek Trucks
an der Slide - sind die letzten zwei
Jahrzehnte seines Schaffens kom-
plett ausgeblendet. Zum indest an
der Arbeit des für das (Re)M aste-
ring verantwortlichen M ark W ilder
gibt es nichts zu bekritteln.
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problematisch I ★ schlecht
STEREO 6/2014 129